Markennamen

Die sieben häufigsten Irrtümer bei der Namensfindung

Die Findung eines guten Markennamens wird häufig unterschätzt. Neben der Kreativleistung müssen auch rechtliche und sprachlich-kulturelle Aspekte berücksichtigt werden - sonst drohen schnell Imageschäden oder teure Prozesse.

Christopher Wünsche, Gründer der Münchner Marken- und Kommunikationsberatung Truffle Bay Management Consulting, erklärt in einem Gastbeitrag für HORIZONT, was es bei der Namensfindung für Marken und Unternehmen zu beachten gilt.

Wenn Unternehmen sich einem Re-Branding unterziehen müssen, weil sie fusionieren, ausgegliedert werden oder der "alte" Markenname international nicht nutzbar ist, steht sie sogleich im Raum: Die Frage nach dem Namen. Unique, originell, sympathisch klingen, gut aussprechbar muss er sein. Das sind einige der häufigeren Anforderungen, denen wir bei Naming-Projekten begegnen. Vielerseits ist gar nicht bekannt, dass hinter der Namensfindung weit mehr steht als lediglich eine Kreativleistung, die allein oft schon unterschätzt wird - sondern ein durchdachter Prozess mit umfassenden kennzeichenrechtlichen und sprachlich-kulturellen Prüfschritten. Wird hier nicht sauber gearbeitet, drohen rechtliche Konsequenzen oder Reputationsschäden. Korrekt entwickelt hingegen, ist ein starker Markenname ein essentielles Marken-Asset, bei genauer Betrachtung vielleicht sogar das Wichtigste, in dem die gesamte Markenenergie steckt.

Die Namensfindung ist eine schwierige Geburt
Die Anzahl der Markenanmeldungen ist permanent hoch, Tendenz steigend und die Markenregister sind immer enger besetzt. Zudem ist das Ergebnis manches Mal recht fragwürdiger Natur. Davon zeugen fast schon legendäre zweideutige Namenskreationen wie "Pajero" (Mitsubishi), "Pinto" (Ford) - beides vulgäre spanische bzw. portugiesische Schimpfwörter - oder "Nova" (Chevrolet), was auf Spanisch einfach nur "funktioniert nicht" bedeutet.

Das "4711" Logo. Eines der bekanntesten Logos überhaupt und über Jahrzehnte im Markt etabliert.

Die Konsequenzen können weitreichend sein: von falschen Assoziationen bei der Zielgruppe bis hin zu einstweiligen Verfügungen im Falle verletzter Kennzeichenrechte Dritter. Dennoch: den Fachleuten bekannten Gefahren zum Trotz, werden Naming-Projekte immer wieder nachlässig aufgesetzt, sind eklatant unterbudgetiert oder werden von Agenturen blauäugig angeboten. Das liegt an folgenden Fehlannahmen, denen wir immer wieder begegnen.

Irrtum #1: Namensentwicklung - ein kreativer Schnellschuss
"Da macht man eine Flasche Rotwein auf, wirft die Kreativmaschinerie an und dann werden da doch schon ein paar Ideen bei rumkommen. So läuft das doch bei Euch...!" – Nicht ganz richtig. Prozesspläne, Verantwortlichkeiten und Meilensteine - wir alle kennen und nutzen die gängigen Eckpfeiler erfolgreichen Projektmanagements. Egal, ob es sich um strategische Initiativen, Vertriebsprogramme oder Restrukturierungen handelt: erfolgskritische Projekte werden im Regelfall mit der gebotenen Akribie und einer angemessenen Ressourcenausstattung aufgesetzt. Wie schwer hat es dagegen die Namensentwicklung! Naming-Vorhaben - mitunter als marketingseitiger "Beifang" wahrgenommen - werden oft ohne korrekten Projektplan und ohne professionell aufgestelltes Projektteam in Angriff genommen. Das Timing? "Asap", bitte. Außer Acht gelassen werden in vielen Fällen zwei unerlässliche Prozess-Schritte: Die sprachlich-kulturelle (siehe #2) und die rechtliche (#3) Prüfung.

Irrtum #2: Ein guter Name ist ein guter Name - egal, wo
"Klingt gut. Müsste im spanischen Markt eigentlich auch passen" - Gefährlich. Jedes Unternehmen ist heute Teil einer globalisierten Welt – one click away. Auch wenn Ihr Unternehmen und Ihre Produkte (bisher) nur regional bzw. national präsent sind: Bewertungsportale sind nicht an Ländergrenzen gebunden. Vielleicht spricht man auch in Frankreich, Brasilien oder Japan über Sie. Zudem haben Sie gegebenenfalls auch internationale Stakeholder - Investoren, Lieferanten …oder einfach Fans auf Social Media. Oder Ihr Wachstum führt dazu, dass Sie internationalisieren müssen. Darüber hinaus spricht selbst der marktrelevante Teil der einheimischen Bevölkerung inzwischen viele Sprachen. Lassen Sie deswegen unbedingt eine sprachlich-kulturelle Prüfung von versierten Muttersprachlern (!) mit Sprachgefühl (!) und Erfahrung (!) durchführen. Mit dieser schließen Sie negative Konnotationen Ihrer Namensfavoriten in anderen Sprachen aus. Hinter vermeintlich harmlosen deutschen oder englischen Markennamen oder einem für unsere Ohren klangvollen "Fantasienamen" vermag sich bereits in angrenzenden Sprachräumen ein ziemlich unflätiger Ausdruck oder eine absolut unerwünschte Assoziation verbergen. Schnell bedeutet dies in sozialen Medien "PR", die Sie sich für Ihr Unternehmen oder Produkt nicht wünschen. Die Zahl der geprüften Sprachen sollte zudem großzügig gehalten werden. Vielleicht sind Marokko, Russland oder China heute noch keine Zielmärkte für Sie, aber wer weiß, in welche Länder Sie vielleicht schon in fünf Jahren expandieren.

Irrtum #3: Eine rechtliche Prüfung ist unnötig oder schnell gemacht
"Laut Google gibt’s den kein zweites Mal. Na dann spricht ja nichts dagegen, dass wir den Namen nehmen." – Keine gute Idee. Möglicherweise ist Ihr Namensfavorit (oder ein ähnlicher, und damit verwechslungsfähiger Name) bereits durch Dritte geschützt, ohne dass Sie diesen in der Suchmaschine Ihrer Wahl finden. Zur nationalen Eintragung des Markenschutzes müssen Sie in Deutschland das Deutsche Patent- und Markenamt konsultieren, allerdings ist es inzwischen gang und gäbe, eine Marke auch als EU-Marke (Unionsmarke) oder in den USA und China anzumelden. Erfahrungswert: Es lässt sich kaum mehr ausschließen, dass Ihre Namensfavoriten mit bereits bestehenden identischen oder ähnlichen Firmennamen oder Marken Dritter kollidieren. Manches Mal müssen mehrere hundert Namen entwickelt werden, um eine Shortlist aus 15-20 Namen präsentieren zu können, die eine realistische Chance auf Handelsregister- und Markeneintragung haben. Und – melden Sie diese so schnell wie möglich provisorisch an – denn in den Markenregistern gilt oft das Senioritätsprinzip – wer zuerst kommt, der mahlt zuerst. Bedenken Sie auch, dass Markeninhaber große Kanzleien beauftragt haben, um ihre Markenrechte weltweit zu überwachen und ggfs. gegen Markenverletzer oder Anmelder ähnlicher Zeichen vorzugehen. Auch ist kaum mehr auszuschließen, dass in bestimmten Märkten in bestimmten Warenklassen sogenannte Abgrenzungsvereinbarungen ("Nicht-Angriffspakte") geschlossen werden müssen. Das erfordert Zeit, ggfs. "Strohmänner" um die eigene Identität (und Finanzkraft) nicht zu offenbaren und – sie ahnen es natürlich schon – auch Geld, weil sich Markeninhaber solche Zugeständnisse gerne bezahlen lassen.

Irrtum #4: Ein Name kann unabhängig von der Strategie oder Identität entwickelt werden
"Sie haben doch bestimmt noch einen schicken Namen in der Schublade, den nehmen wir einfach, ok? " – Nicht zu empfehlen. Wenn Sie nicht die 29. Liegenschaftsverwaltung Stadtwald GmbH & Co KG zur Eintragung bringen wollen, sollten sich in einer durchdachten, guten Namens- und Markenstrategie Herkunft und Aspiration eines Unternehmens wiederfinden. Man darf nicht unterschätzen: Ein neuer Name ist zunächst immer fremd, was häufig zu Ablehnung oder Unwohlsein auf der Auftraggeberseite führt. Man muss mindestens ein- bis zweimal darüber schlafen, sich erst ein wenig an die neuen Namen gewöhnen, um eine Präferenz zu entwickeln oder Entscheidung treffen zu können. Ein neuer Name braucht immer eine Story. Herkunft, Bedeutung, Assoziation – der neue Name muss immer erzählbar sein, denn bei Unternehmensnamen hängen Identifikation und positiver Start in eine neue Phase der Unternehmensentwicklung immer auch von einem guten und passenden Namen ab.



Irrtum #5: Viel Feedback hilft viel
"Bei dem Namen muss ich immer an meine Nachbarin denken. Ätzend." – Nicht allzu hilfreich. Die Eltern unter den Lesern dürften das Problem kennen: Wird der Name des ungeborenen Kindes bereits vor der Geburt kommuniziert, kann man sich vor gutgemeinten Rückmeldungen kaum retten. Daher an dieser Stelle der Hinweis: Klären Sie von Anfang an, wer wann in das Projekt involviert ist und wen Sie um Feedback bitten. Und beachten Sie bitte, die Namensliste vertraulich zu behandeln. Schnell sind Kandidaten verbrannt, wenn die Presse oder Wettbewerber Wind davon bekommen. Markennamen und damit verbundene –rechte sind Marktzugänge. Marktzugänge bedeuten Ertragschance. Insofern sind Marken immer auch ein wertvolles Wettbewerbsinstrument.

Irrtum #6: Ein guter Name ist nur in B2C-Märkten von Bedeutung
"Wissen Sie, wir sind ein B2B-Unternehmen. Qualität und Preis - nur so überzeugen wir unsere Kunden. Mit so einer Namensgeschichte muss ich dem Vertrieb gar nicht erst kommen. " – Muss nicht richtig sein. In vielen mittelständischen B2B-Unternehmen - gerade bei Hidden Champions - geht man davon aus, dass Produktexzellenz allein zu einer führenden Wettbewerbsposition führt. Gerade in Unternehmen, die nicht über hohe Kommunikations- oder Marketingbudgets verfügen (auch Startups) ist ein merkfähiger und monopolisierbarer Name Gold wert. Und egal ob B2C oder B2B – der Name als Identifikationsanker für die Mitarbeiter ist immer wichtig!

Irrtum #7: Namensentwicklung - billiger Beifang
"So ein Naming, das kann ja nicht viel kosten?" – Stimmt – aber nur wenn der Prozess nicht professionell konzipiert ist. Ein sauber aufgesetzter Naming-Prozess beinhaltet eine explorative, oft mehrstufige Kreativphase, eine rechtliche sowie eine sprachlich-kulturelle Prüfung und diverse interne Abstimmungsrunden sowie Budget für Datenbanken- und Registerauszüge sowie -eintragungen. Dafür braucht es hochspezialisierte Experten: Namensentwickler, Linguisten, Markenrechtler, Markenstrategen, Designer, denn der Name muss ja später auch gestaltet werden. Das kostet Geld. Je kleiner und eingespielter das Team, desto effizienter kann der Prozess jedoch geführt werden. Und bitte bedenken Sie: der neue Name wird am Firmengebäude, unter jeder Mail stehen, wird bei jedem Telefonat gesprochen – kurz: der Name ist das am meisten benutzte Element jedes Markensystems. Und last but not least: die Präsentation der Namen, das Heranführen an die Vorschläge muss ebenfalls professionell gemacht werden, will man ein solch komplexes Unterfangen in (meist sehr) engem Zeitrahmen zum Erfolg bringen und alle Entscheider und natürlich die gesamte Belegschaft in ein (neues) Boot bekommen!

Fazit: Ein guter Name erfordert Kreativität und Know-how
Starker Name, starke Marke, starker Impact. Dennoch wird zum Teil noch immer unprofessionell gearbeitet in der Namensentwicklung. Die Folgen: Zielgruppen verbinden Namen mit unerwünschten Assoziationen, rechtliche Probleme, mangelnder/ unzureichender Markenschutz und zeitliche Verzögerungen. Ein belastbarer Naming-Prozess beginnt mit einer explorativen Kreativphase und beinhaltet schon in der Entwicklungsphase sowohl eine sprachlich-kulturelle als auch eine rechtliche Vor-Prüfung. Nur chancenreiche Kandidaten werden vorgestellt, sonst steigt das Frustrationspotential exorbitant an. Auch das strategische Vorgehen in der Vermeidung oder Umgehung potentieller juristischer Probleme erfordert Kreativität und Know-how sowie Verhandlungsgeschick. Dann wird aus dem Namen mit guter Gestaltung eine attraktive Marke, die den Start in die neue Ära der Unternehmensentwicklung maßgeblich unterstützen kann.

 © Pixabay - pixel2103